die vielen Gesichter der Namib
Die Entscheidung wieder ins Landesinnere zu wechseln ist goldrichtig. Kaum zwanzig Kilometer weg vom Meer, und der Nebel, die Salzluft sind weg. Die Namib erstrahlt in warmen Farben, es scheint den ganzen Tag die Sonne. Die ersten hundert Kilometer sind blattleben, reine Sandpiste.
Dann wieder führt die Spur durch eine gebirgige Wüste, die Hänge kaum bis gar nicht bewachsen, aber in den Flusstälern stehen vereinzelt Bäume, Buschwerk, vertrocknetes Gras.
Die Abende sind empfindlich kalt, ein kleiner Gecko wärmt sich mit uns am Lagerfeuer.
Hat er etwa seinen Schwanz verloren?
Es sieht so aus, als würde ihm ein neuer nachwachsen.
Über eine Bergkette, die wir am nächsten Tag auf einer Spur passieren wollen, können wir leider nicht drüber. Nach etlichen Kilometern begegnet uns ein Mann der sagt, die „Straße“ sei gesperrt - Privatbesitz. Also wieder umdrehen und zurückrumpeln. In der Folge müssen wir einen weiten Umweg machen. Wir sind zwei Tage lang auf breiten Schotterpisten unterwegs.
Am 11. Juni erreichen wir die Rooiklip Farm.
Ein wunderbarer Platz, unter einer überhängenden Felswand, der Blick nach Westen auf die Berge der Namib Wüste. Wir sind auf den Spuren von Henno Martin, einem deutschen Geologen, der mit seinem Partner dem drohenden Zweiten Weltkrieg entfliehen wollte, und sich hier verstecken und - in der Wildnis überleben - konnte.
Hannelore, die vor 20 Jahren hier im Herzen der Namib ihren Platz fürs Leben gefunden hat, und ihr Frans, ein gebürtiger Bure aus der Republik Südafrika - der Hausl und Mann für alle Fälle, sozusagen - haben hier ein privates Wildtierreservat geschaffen.
Die Dürre der letzten vier Jahre hat den Wildbestand ziemlich reduziert, aber immer noch mit ihrer Hände Arbeit und viel, viel Herzblut kümmern sich die beiden, die bereits jenseits der 80er sind, um jene Tiere, welche die Trockenzeit überstanden haben und immer noch da sind. Für Reisende wie wir haben die beiden drei Stellplätze eingerichtet die schöner nicht sein könnten. Noch dazu für unseren heutigen Ehrentag.
Seit 40 Jahren gehen wir vor dem Herrgott gesegnet gemeinsam durch dick und dünn, auch für drei Monate nach Afrika - im Dachzelt - ein gutes Gefühl - ein Geschenk - wir sind sehr dankbar dafür.
Mein Mauserich hat daran gedacht.
Zum letzten Glas Wein noch einen Sonnenuntergang vom Feinsten. Dieses Abendlicht ist einzigartig, und es leuchtet jeden Abend.
Also, was hier in Afrika Wundersames passiert, ich hab diesen Tag glatt vergessen. Es gibt ein Steak vom Grill, Bratkartoffel, Salat mit Avocado, Zuckererbsen und Tomaten, und Mauserichs geliebte Pfeffersauce.
Ein besonderer Tag, ein besonderes Abendessen.
Wir sind sehr dankbar, diesen Tag hier erleben zu dürfen.
Zum letzten Glas Wein noch einen Sonnenuntergang vom Feinsten. Dieses Abendlicht ist einzigartig, und es leuchtet jeden Abend.
Der Gedanke zu diesem Abendessen kommt natürlich nicht von ungefähr. Dieses „abenteuerliche“ Buch von Henno Martin, an dem Leseratten ihre Freude haben werden, hat uns inspiriert.
Der geneigte Leser möge zu diesem Buch greifen und sich selbst ein Urteil bilden . . .
In dieser Felsenhöhle sollen einst Leoparden „gewohnt“ haben. Jetzt gibt es hier keine Raubkatzen mehr. Die Dürre der letzten Jahre hat viele Beutetiere verdursten und verhungern lassen. Den wenigen von ihnen, die überlebt haben, ist es gelungen abzuwandern. Daher sind auch die Jäger nicht mehr da.
Eine traurige Geschichte, die uns Hannelore mit Tränen in den Augen berichtet. Und in Anbetracht der Klimaveränderung ist auch nicht zu erwarten, dass es wieder so wird wie es einmal war . . .
eigentlich bleibt zu wenig Zeit, die vielen Seiten der Namib zu entdecken,
und auch der Diesel wird wieder zum Thema . . .
Wir bleiben einige Tage hier, erkunden untertags das Gelände dieses kleinen privaten Naturreservats, 7059 Hektar groß. Es geht bergauf und bergab, die Reifen machen einiges mit, nichtsdestotrotz - sie überleben ohne Patschen, Gott sei Dank.
Am Abend des 12. Juni zeigt mir eine smarte AktivitätsApp ich wäre 113 Stockwerke gestiegen. Ha ha, gar nicht smart, ich bin nur am Beifahrersitz gesessen. Und hab mich irgendwie verkeilt um mir in dem schaukelnden, hupfenden, bockenden Vehikel nicht die Birne anzurennen.
Unsere langen Erkundungstouren (unter 50, 60 Kilometer geht da nix) fressen natürlich auch Diesel ohne Ende, Sperren und Untersetzung brauchen Kraft, wie wir ja schon gelernt haben.
Wie spannend, das Beobachten der Tankanzeige gewinnt wieder an Attraktivität. Die Säule steht ziemlich tief, und von hier weg wird es sich bis zur nächsten Tankstelle Richtung Süden sicher nicht mehr ausgehen.
Ach wie praktisch, Frans - die gute Seele der Rooiklip Farm - kann uns mit 20 Litern aushelfen, und einen vollen Reservetank haben wir ja noch. Das müsste (dieseltechnisch) reichen um nochmals nach Swakopmund zurückzukehren. Denn, auch unsere (nahrungstechnischen) Vorräte gehen zur Neige, und für die weiteren zwei Wochen ist kein Supermarkt in Sicht.
So gescheit waren wir nicht, um das rechtzeitig zu checken.
Dankbar, dass sie uns aus der Patsche helfen, verabschieden wir uns herzlich von Hannelore, Frans und ihren kleinen Papageien.
das Spiel mit der Tankanzeige - wer wird gewinnen?
Der Weg durch die Namib Ebene zurück nach Swakopmund ist mühsam. Fast 200 km Waschbrettpiste auf einer Ebene aus Sand und Schotter mit zeitweisen Steinbarrieren, die unerwartet zum Abheben führen. Jedenfalls, unsere Stimmung heben sie nicht. Dazu die schon vertraute Anspannung. Wird es sich ausgehen?
Den Reservekanister auszubauen hieße, alle Boxen raus aus dem Canopy, den, hinter dem Kühlschrank auf einen Zentimeter eingepassten Kanister hervorwurschteln, Diesel umfüllen, Kanister wieder hineinwurschteln, die Boxen wieder verstauen, alles wieder festzurren . . . und das, auf staubiger Rumpelpiste, die die namibischen Sandpiloten als Rennpiste missverstehen. Nein danke - möglichst nicht.
Wir tauschen, jetzt fahre ich - und das Auto fährt und fährt . . . und die Anzeige blinkt und blinkt . . . es ist, als ob der Tank geradezu nach Futter lechzt - verdammt, muss das sein, warum haben wir es wieder so knapp werden lassen?
Mir ist, als wollte diese Wüste niemals enden. Dann - plötzlich - taucht der Nebel über Swakopmund auf. Es kann nicht mehr weit sein.
Endlich auf der Zufahrtsstraße zur Stadt. Ich fühle ich am Gaspedal erstes Schwächeln. Oh, wie lange noch bis es endgültig . . . ?
Wo die Häuser beginnen, erspähen wir eine Tankstelle, noch einige hundert Meter entfernt, die Straße geht leicht bergab. Die Automatik auf N - rollen lassen. Dann ein Kreisverkehr, es hilft nix, ich muss abbremsen und wieder Gas geben. Raus aus dem Kreis und hin die dreißig Meter bis zur Einfahrt . . .
Ein letztes Stottern über die Einfahrtsrampe, ein letztes Aufflackern des Lebenswillens - braver Mitsubishi - aus ist’s. (Gott sei Dank, er ist nur ein Auto, der Motor nur eine Maschine)
Eine Bursche in roter Jacke fuchtelt wild und zeigt auf die Zapfsäule die ich nehmen soll. Aber - ich setze mein unschuldigstes Lächeln auf, ob des scheinbaren Widerstands gegen seine Anordnung. Aus ist eben aus.
"No more fuel - so sorry . . ."
Unter lautem Hallo und Gepfeife wird unser braves Vehikel sogleich von den Burschen der Tankstelle die letzten Meter an die Dieselsäule herangeschoben. Gibt´s das? Da fährt einer durch die Namib und bleibt mit leerem Tank fünf Meter vor der Zapfsäule liegen.
Jetzt wissen wir es genau, denn die Anzeige offenbart, wieviel der absolut leere Tank tatsächlich fasst.
Den Burschen bleibt der Mund offen. Dann beginnt ein lautes Durcheinander. „Where are you from, what the hell did you . . .“
Wir geben freundlich Auskunft, die Erleichterung ist uns wohl anzusehen. Dann öffnet der Mauserich ganz unaufgeregt die Motorhaube, entlüftet mit wenigen Handgriffen die Dieselleitung, schließt die Haube, bezahlt - wir steigen ein, winken dankbar, und das war’s.
Zurück bleibt eine staunende Tankstellenbesatzung, die ein so genaues Timing im Spiel mit der Tankanzeige wahrscheinlich noch nie erlebt hat.