Heute, am 10. Juni 2016, da die Fußballwelt ob der beginnenden EM im Fieber liegt, beschließen wir endlich zu tun, was wir uns schon lange vorgenommen haben – Landschaftsfotografie vom Feinsten zu genießen. Wir möchten auf den Schafberg hinauf, am Gipfel den Sonnenuntergang erleben, und am nächsten Morgen von oben ins Salzkammergut hinunterschauen, wenn die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne Berge und Seen in warmes Streiflicht tauchen.
An der Talstation in St. Wolfgang nehmen wir die letzte Zahnradbahn des Tages und ruckeln gemütlich bergwärts. Die Kellnerin des etwas in die Jahre gekommenen Berghotels begrüßt uns freundlich. Ob wir gleich essen wollen? Ab 20:00 Uhr wäre die Küche geschlossen. Auf unseren Hinweis, wir würden jetzt unsere Fotoausrüstung nehmen und ausrücken, meint sie eher verständnislos: „ja aber, die Sonne geht doch bald unter!“
Na, wenn sie wüsste, wie schön dann das Licht erst wird . . .
Aber nicht ganz nach unseren Erwartungen . . .
. . . verlaufen die nächsten Stunden. Auf 1782 m pfeift ein eisiger Wind über die steil abfallende Gipfelkante.
Außerdem – Geduld ist gefragt.
Mir scheint es, als ließe sich die Sonne heute extra lange Zeit für ihren Untergang. Um mich halbwegs warm zu halten, stapfe ich umher und knipse drauf los – was mir eben so unterkommt. Im warmen Licht der allmählich doch tiefer sinkenden Sonne ist es mir lustig, meinen Mann mit einem Schnappschuss zu erwischen.
Bevor die Sonne endgültig in der Dunstschicht verschwindet, gelingt ihm noch ein schönes Bild mit Blick auf die malerische Seenlandschaft zu unseren Füßen. Im Vordergrund der Mondsee, rechts hinten der Irrsee, links hinten ist der Fuschlsee zu erkennen, links vorne der kleine Krottensee.
Die vielen Seen, für die das Salzkammergut berühmt ist, füllen heute die Schürfbecken aus, die der Dachsteingletscher in seiner weitesten Ausdehnung nach Norden zurückgelassen hat.
Das lange Warten auf den Sonnenuntergang hat uns ziemlich ausgekühlt. In der Gaststube des Hotels herrscht feuchtfröhliche Stimmung, Frankreich : Rumänien erhitzt die Gemüter. Ein Bier können wir gerne haben, etwas Warmes zu essen gibt es nicht, die Küche hat bereits Feierabend. Gut, dass ich daran gedacht habe etwas Jause mitzunehmen. Bald wünschen wir den anderen Gästen noch einen angeregten Fußballabend und verkriechen uns dankbar in unsere warmen Daunenschlafsäcke.
Eine Belohnung für Frühaufsteher . . .
Der Wecker läutet um 4:00 Uhr. Den Sonnenaufgang im Juni zu fotografieren ist nichts für Langschläfer. Es dämmert schon, aber es bleibt genügend Zeit, den richtigen Standplatz zu finden und die Kamera aufzubauen. Die Luft ist klirrend kalt, wenigstens weht der Wind nicht mehr, eine geradezu unheimliche Ruhe hat sich ausgebreitet.
Um 4:45 Uhr steigt die Sonne langsam über den Horizont und malt mit warmen Farben zarte Lichtstreifen über das in Dunst gebettete Höllengebirge. Es fasziniert mich zu beobachten, wie sich das Gipfelprofil des Höllengebirges ändert, je höher die Sonne steigt. Die Wahrnehmung von Entwicklung durch sich ändernde Lichtverhältnisse gehört zu den beeindruckendsten Erfahrungen in der Landschaftsfotografie.
Eine dreiviertel Stunde später wird auch die Felswand der Spinnerin vom Morgenlicht erfasst. Das Licht ist nun klarer und merklich kühler geworden, es lässt den Attersee glitzern.
Uns bietet sich ein wunderbarer Blick auf das nördliche Salzkammergut.